Leonardo da Vinci, Baron Karl von Drais, Margarete Steiff, Bill Gates – am 27. September 2021 hatten Kinder und Eltern an der IMS die Gelegenheit, einige sehr berühmte Menschen zu treffen und etwas über ihr Leben und ihre Arbeit zu erfahren. Schüler der Jahrgangsstufen 5 und 6 schlüpften in die Rolle von berühmten Erfinderinnen und Erfindern. In Kostümen standen sie an eigenen Ständen bereit und hielten faszinierende Informationen über das Leben und die Erfindungen des von ihnen gewählten Erfinders bereit. Im Interview berichtet Frau Gerstner, Klassenlehrerin der Lerngruppen 4 bis 6, von der Inventors Fair an der IMS.
Was war die pädagogische Idee hinter der Messe?
An der Erfinder*innen-Messe werden zwei Aspekte der Montessori-Pädagogik deutlich: das Erzählen von Geschichten und das forschende, entdeckende Lernen. Die Kinder haben im Detail geforscht und viel Zusatzarbeit hineingesteckt. Am Ende konnten sie alle Fragen über ihre Lieblingserfinder*innen beantworten. Es war unglaublich, wie stark sie sich mit ihrem Erfinder identifiziert haben. Die Kinder waren komplett frei in der Wahl der Personen und konnten sich auch nochmal umentscheiden – wenn sie z. B. gemerkt haben, dass sie doch nicht die passende Erfindung ausgesucht haben. Das finde ich sehr wichtig, denn die Motivation wächst, wenn man etwas erforscht, das einen interessiert. Interessant war auch, dass ganz viele Kinder erst eine Erfindung ausgesucht haben und dann den Erfinder.
Was auch deutlich wurde: der Aspekt „Hilf mir, es selbst zu tun“. Es war sehr schön zu sehen, wie die Kinder ab einem bestimmten Punkt selbst übernommen und mich nicht mehr gebraucht haben. Ich habe nur zu Beginn Input gegeben und war natürlich vor Ort, habe zugehört und Anregungen gegeben. Aber den Rest haben die Kinder ganz allein gemacht. Und das ist die höchste Form des Lernens, wenn das Kind übernimmt. Durch die freie Wahlmöglichkeit ist es für sie etwas Relevantes, das sie lernen. Sie übernehmen das Steuer und gehen ihren Weg – Schritt für Schritt. Und sie machen eher noch einen Schritt mehr als sie müssten. Sie waren total im Flow, ich als Lehrerin musste sie nicht anleiten. Genau das ist Montessori-Pädagogik!
Wie kam es zur Idee, eine Inventors Fair an der IMS zu veranstalten?
Diese Idee habe ich von einer anderen internationalen Schule mitgebracht, an der ich viel über erlebnispädagogisches Lernen gelernt habe. Unsere Erfindermesse hatte in dieser Form Premiere an unserer Schule. Die Schüler*innen entscheiden an der IMS selbst, wann und wie sie lernen. Für die Erfindermesse mussten sie nun mit einem festen Termin lernen. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler auch diese Situation kennenlernen – als Vorbereitung auf weiterführende Schulen. Ein Projekt zu Ende zu bringen und abzuliefern gibt am Ende das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Nur dann können die Schüler stolz auf sich sein.
Wie haben sich die Schüler*innen auf die Erfindermesse vorbereitet?
Zu Beginn haben Schüler und Schülerinnen bestimmte Kriterien als Hilfestellung bekommen. Das Thema und die Rahmenbedingungen waren also vorgegeben, bei der Wahl der Erfinder waren die Kinder komplett frei. Sie hatten vier Wochen Zeit, um im Fach Gesellschaftswissenschaften zu ihren Erfinder*innen zu recherchieren. Zu der Aufgabenstellung gehörte auch, ein Plakat für den Messestand vorzubereiten, ein Modell der Erfindung zu erstellen und sich authentisch zu kleiden. Außerdem haben die Kinder im Vorfeld gemeinsam ihre Präsentationen geübt. Da brauchte ich als Lehrerin gar nicht einzugreifen: Durch das gegenseitige Präsentieren haben sie gesehen, wo sie stehen und wie es die anderen machen. Im Miteinander haben sie automatisch erfahren, wie sie ihre Präsentationen verbessern können.
Wie lief die Messe ab?
Im Zusammenspiel haben die Kinder eine großartige Messe für jüngere Schüler und für ihre Familien auf die Beine gestellt. Jedes einzelne Kind hat seinen Part vorbereitet. Mit Perücken, Hüten und anderen Accessoires machten alle Kinder eine gute Figur und stellten in faszinierenden Darbietungen ihre Lieblingserfinder dar. Die Anforderung am Tag der Messe war, dass die Schüler*innen so authentisch wie möglich angezogen sein sollten, damit sie auch wirklich wie ihr Erfinder aussehen. An den einzelnen Ständen konnten die Zuhörer die berühmten Persönlichkeiten treffen und begrüßen, um dann etwas über ihr Leben und ihre Arbeit zu erfahren. Anhand des Modells und des Plakats beantworteten sie alle Fragen. Die Präsentationen waren etwas ganz Besonderes.
Was genau war das Besondere an den Präsentationen?
Während der Messe standen die kleinen Erfinder an ihren Ständen. Die großen und kleinen Besucher konnten sich aussuchen, welchen Stand sie besuchen und über welchen Erfinder sie mehr erfahren möchten. Die Erfinder*innen haben sich dann überwiegend in Einzelgesprächen präsentiert. Das war viel besser für die Kinder – denn ein Raum voller Menschen, in dem die Kinder vorn stehen und präsentieren müssen, macht Angst.
Wir haben den Tag so konzipiert, dass die Kinder erst vor jüngeren Kindern aus den Klassenstufen 1 bis 3 präsentieren – was anspruchsvoller ist – und später vor Erwachsenen, denen man Dinge leichter erklären kann. Die Idee dahinter war, dass die Kinder lernen, vor verschiedenen Zielgruppen zu präsentieren. Sie mussten ihre Präsentationen also den Zuschauern anpassen. Diese Kompetenz ist sehr schwer durch Lernen zu vermitteln. Im Vorfeld haben sie viel geübt und sich ausprobiert – und so selbst herausgefunden, wie sie das machen müssen.
Wie sind die Präsentationen gelaufen und wie sind sie bei den Zuschauern angekommen?
Die Atmosphäre war den ganzen Abend toll, es waren viele Eltern und Geschwister da. Besonders aufgeregt waren die Kinder, als die Eltern kamen. Als wir den Tag im Nachgang mit den Kindern ausgewertet haben, sagten sie, dass es leicht war, abends vor den Erwachsenen zu präsentieren. Sie haben sich sehr sicher gefühlt, weil sie vorher so oft präsentiert haben. Ich fand es beeindruckend zu sehen, wie die Kinder mit jeder Präsentation immer sicherer und lockerer wurden. Es gab ein Kind, das über 45 Präsentationen gemacht hat. Unsere jungen Erfinder waren am Ende des Tages stolz und müde.
Ihr Konzept ist also aufgegangen?
Ja, daran sehen wir, dass die Ideen und Ansätze von Maria Montessori funktionieren, auch wenn Kinder heute anders sind als früher. Die Erfindermesse zeigt, dass Lernen Spaß machen kann und Schule nicht langweilig sein muss. Daher hat die Idee der Inventors Fair auch so gut in unser Schulkonzept gepasst.
Was war Ihr persönliches Highlight?
Ich war sehr positiv von unseren Kindern überrascht: Es ist unglaublich, wie sie sich in eine derartige Arbeit hineinbegeben. Als Lehrerin kann man das nicht planen, es kommt von den Kindern. Und es kommt so viel mehr als man eigentlich erwartet! Ein Junge hat sogar selbst Gummibären gemacht und mitgebracht, ein Mädchen kam mit dem Rollstuhl. Es war auch faszinierend, wie gut die Kinder informiert waren und wie gut sie alles erklärt haben – vor allem den Erstklässlern, in ganz einfachen Worten. Da haben mich unsere Schüler sehr beeindruckt, ich war unheimlich stolz. Die Erfindermesse war etwas experimentell und es war das erste Mal, dass wir sie an der IMS gemacht haben. Daher war die Freude hinterher umso größer. Eltern und Lehrer*innen haben sich mit den Kindern über ihre Erfolge gefreut. Von den Eltern kamen nur positive Rückmeldungen, sie waren sehr erstaunt über die Tiefgründigkeit ihrer Kinder. Alle haben gesagt: „Davon wollen wir mehr!“. Für mich ist das auch eine Art Elternarbeit und ein sehr positiver Anlass zusammenzukommen.
Und was hat den Kindern am meisten gefallen?
Die gemeinsame Freude am Ende – und dass jemand kommt, der ihnen zuhört. Sie haben gemerkt, dass es ein langer Weg ist bis zum Ziel – bis sie letztlich selbst Erfinder*in waren. Und sie haben erlebt, was es bewirken kann, wenn man gut im Team arbeitet. Und eines ist sicher: ihre Erfinder*in werden sie nie vergessen.